Vom Lebensmittelretten zur Lebenseinstellung

Ob Nudeln, Gemüse, Blumen oder Tierfutter: All diese Produkte landen bei Supermärkten und Händlern früher oder später im Müll, wenn sie das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben oder aufgrund des Aussehens nicht mehr für den Verkauf verwendet werden können/ dürfen.
Jessica Becker ist seit September 2021 als Online-Redakteurin bei inRLP.de beschäftigt, welche bei den Lokalen Medien bzw. inFranken angesiedelt ist. Neben dieser Tätigkeit ist sie Ehrenamtliche bei Foodsharing und setzt sich so für das Retten von Lebensmitteln ein, die von Supermärkten und Händlern sonst weggeschmissen werden würden.
Interview mit Jessica
Was versteht man unter Foodsharing?
Das Konzept von Foodsharing ist, Lebensmittel vor der Tonne zu retten. Es gibt Bezirke/ Regionen (z.B. ein Landkreis einer Stadt), in denen sich Ehrenamtliche in Teams treffen, die dann zu den beteiligten Betrieben fahren und die Lebensmittel retten. Die Lebensmittel, die mitgenommen werden, haben das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten und dürfen demnach nicht mehr verkauft werden. Produkte, die ein Verbrauchsdatum, wie z.B. Fisch, aufweisen, dürfen aufgrund von gesundheitlichen Aspekten nicht gerettet werden. Nachdem die Lebensmittel bei den Betrieben eingesammelt wurden, werden sie zum sog. „Verteiler“ gebracht, wo sich jede*r Lebensmittel herausnehmen kann. Es kommt auch vor, dass sie von den Ehrenamtlichen selbst verwendet oder im Bekanntenkreis verteilt werden.


Sogar Blumen werden gerettet!
Wie bist du zu deinem Ehrenamt gekommen?
In der Corona Zeit im Dezember 2020 bin ich durch eine Bekannte über Whatsapp darauf gestoßen und habe mich dann für das Thema interessiert. Nach etwas Recherche habe ich dann einen bereits angelegten Account auf der Website foodsharing.de wiederbelebt und das „Foodsharing-Quiz“ sowie eine Ausbildung zur „Foodsaverin“ gemacht, bei der ich bei Einführungsabholungen die Abläufe kennengelernt habe.
Bis vor kurzem war ich auch als Botschafterin tätig. Ich habe einen eigenen Bezirk gegründet und war sozusagen das Gesicht nach außen. Zu meinen Aufgaben gehörten: Veranstaltungen organisieren, mit den Betriebsverantwortlichen in Kontakt treten, neue Betriebe ansprechen sowie die Koordination der Ausbildung neuer Foodsaver.
Besonders an meinem Ehrenamt finde ich den sozialen Aspekt. Zu den Verteilern kommen oft Menschen, die auf die geretteten Lebensmittel angewiesen sind und uns gegenüber dann sehr viel Dankbarkeit ausdrücken.
Wie verknüpft sich deine Arbeit in der mgo mit deinem Ehrenamt?
Neben den genannten Tätigkeiten bin ich auch für die Pressearbeit zuständig, bei der ich durch den beruflichen Hintergrund immer Ansprechpartnerin in meinem Bezirk bin. Die Kontakte zur Presse und mein Wissen in dieser Branche haben dem Bezirk sehr viel gebracht.
Mein Ehrenamt beeinflusst aber auch meine Arbeit in der mgo. Und zwar indem ich mein Wissen an meine Kolleg*innen weitergeben kann und so etwas Aufklärungsarbeit und mehr Bewusstsein gegenüber Konsum von Lebensmitteln schaffe.
Wie hat sich dein Konsumverhalten geändert und was würdest du Menschen diesbezüglich ans Herz legen?
Das Mindesthaltbarkeitsdatum war früher für mich sehr wichtig. Alles, was nach diesem Datum in meinem Kühlschrank zu finden war, landete direkt in meinem Mülleimer. Durch meine Arbeit bei foodsharing habe ich gelernt, dass das MHD sowohl in der Benennung als auch im Konzept überdacht werden sollte. Oft ist das MHD bei uns eher als „tödlich ab“-Datum gespeichert. Deshalb finde ich die englische Bezeichnung für das MHD viel passender. Im Englischen heißt es nämlich „best before“, übersetzt „am besten vor“. Die Bezeichnung impliziert nämlich, dass es nach diesem Datum trotzdem noch gut ist.
Eigentlich ist es ganz einfach: Benutzt eure Sinne!
Wir Lebewesen haben auch unsere Sinne bekommen, damit wir abschätzen können, ob ein Lebensmittel noch gut für uns ist, ohne dafür ein Ablaufdatum zu brauchen. Katzen zum Beispiel schauen sich das Essen an, riechen daran und probieren ein bisschen. Daran beurteilen sie, ob es gut für ihren Körper ist. Und genau so können auch wir die länger offene Milch anhand der Farbe, des Geruchs und des Geschmacks als „noch konsumierbar“ oder als „nicht mehr konsumierbar“ identifizieren.
Hier steht Jessica an einem Verteiler-Stand im Jahr 2021