Zurückversetzt ins Mittelalter: Kutschen statt Autos, Einspänner statt Fahrräder. Eine Tour durch die Altstadt Bambergs führen und gleichzeitig nicht aus der Rolle fallen, egal ob währenddessen gerade in der Nähe lautstark ein Junggesellenabschied gefeiert wird oder sich die nächste Baustelle aus dem Boden gestampft hat und somit den Weg versperrt. Das ist der Nebenjob von Lucie Homann. Die Projektmanagerin von mgo360 arbeitet nebenberuflich als Schauspielerin bei den Gassenspielen Bamberg. 

 Was sind die Gassenspiele Bamberg? 

 „Theater trifft auf Stadtführung“ ist wohl die beste Beschreibung für die Bamberger Gassenspiele. Es ist eine Art offenes Theater, in welchem Wissen über die Stadt vermittelt wird. Meistens spielen dabei zwei bis drei erfahrene Schauspieler*innen mit und führen das Publikum anhand von Geschichten und echten Legenden durch die alten Gassen von Bamberg. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass man mitten in der Stadt auf andere Charaktere trifft. Das Stück „Galgenstrick und Räuberbraut“ spielt beispielsweise Passagen aus Schillers „Die Räuber“ und zwischendrin wird erklärt, ob es tatsächlich fränkische Räuberhauptfrauen gegeben hat und wie sie gelebt haben. Teilweise wird das Publikum durch interaktive Szenen sogar selbst zu einem Teil der Vorführung. Christine Hartnagel ist der Kopf hinter den Geschichten. Sie überlegt sich, was gut ankommen würde, recherchiert in der Vergangenheit und arbeitet für die Umsetzung mit einem/r Regisseur*in zusammen. Lucie spielt in den vier aktuellen Stücken unterschiedlichste Charaktere in verschiedensten Kostümen. „Ich habe mich fast schon an jeder Ecke in Bamberg umgezogen“, gibt die 35-Jährige lachend zu. 

 Wie Lucie zu der Schauspielerei und ihrem besonderen Nebenjob kam 

Eine richtige Schauspielausbildung hat Lucie nie absolviert. Wie kam sie also vom English and American Studies Studium zur Schauspielerei? „Ich habe schon immer Theater gespielt, seit ich in der Grundschule den Rum in der Weihnachtsbäckerei spielen durfte.“ Während der Schulzeit hatte sie eine Dramaturgin in einem Grundkurs am ETA Hoffmann Theater kennengelernt. Dadurch hat sich eine kleine Gruppe an schauspielinteressierten Schüler*innen gebildet, mit der die Dramaturgin über viele Semester hinweg eine Art Schauspielausbildung absolviert hat. In dieser Zeit hatte diese Gruppe auch einige Aufführungen am ETA Hoffmann Theater. Während ihres Studiums leitete Lucie dann sogar selbst eine Theatergruppe – in Englisch. Im Jahr 2016 wurde sie durch eine Freundin auf die Gassenspiele in Bamberg aufmerksam. Sie war gerade fertig mit ihrer Masterarbeit und ließ sich schnell von der Idee begeistern, nebenberuflich als Schauspielerin ein paar Taler zusätzlich zu verdienen. Seitdem ist sie Teil der Gassenspiele. 

 Was macht das Ganze so besonders? 

Die Bamberger Gassenspiele sind so besonders, weil die Schauspieler*innen immer in ihren Rollen bleiben und auch als diese den Teilnehmer*innen antworten müssen. Die Umgebung wird den Spielen angepasst: Autos werden zu Kutschen, Fahrräder sind plötzlich Einspänner. Zudem hängt jedes Stück mit einer festen Route zusammen, die teilweise spontan geändert werden muss, weil über Nacht eine neue Baustelle entstanden ist oder weil ein Lkw den Weg versperrt. Hier ist die Improvisationskunst der Schauspieler*innen gefragt, die Gruppe soll ja schließlich nichts von all dem merken. „Man spielt schon jahrelang die gleichen Stücke, aber es ist ein bisschen wie bei einer Serie. Wir entwickeln den Charakter und du weißt nie, wie eine Aufführung laufen wird.“ 

Ab März finden wieder öffentliche Vorstellungen statt. Falls ihr selbst mal ein Bamberger Gassenspiel miterleben wollt, schaut gerne auf deren Internetseite oder Instagram vorbei – es dürfen nicht nur Tourist*innen an den Stadtführungen teilnehmen, auch Einheimische sind gern gesehene Gäste. Wer sogar Teil des Gassenspiels werden möchte und bereits Schauspielerfahrung besitzt, darf sich gerne bei unserer Kollegin Lucie Homann melden.