Rückblick auf die BDZV-Konferenz #beBeta 2024 in Berlin

Was gibt’s Neues in der Verlagswelt? Und wie geht’s weiter mit dem Megatrend Künstliche Intelligenz? Wo findet man Antworten auf diese Fragen, wenn nicht auf der BDZV-Konferenz #beBeta in Berlin. FT-Redakteur Moritz Kircher war da und bringt fast nur gute Nachrichten mit – aber auch eine, die bedrohlich klingt.

Wenn der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) zur #beBeta ruft, dann kommt das Who-is-Who der deutschen und deutschsprachigen Verlagsbranche. Dicke Fische wie die Süddeutsche Zeitung, Bild oder NZZ zeigen dort ihre geballte Innovationskraft. Kleine und mittelständische lokale Verlage wie die Mediengruppe Oberfranken sind gekommen, um von den Großen zu lernen oder aber mit Fokus auf Künstliche Intelligenz erfreut festzustellen: auch wir sind auf einem guten Weg.

Das ein oder anderen Projekt, das beim ersten AI-Day der mgo vor einigen Wochen vorgestellt wurde, ähnelte denen, die auf der eindrucksvollen BDZV-Bühne in der Alten Münze in Berlin  präsentiert wurden. So durfte die Rheinische Post beispielsweise vorstellen, dass sie daran tüftelt, Stimmenavatare einiger Autoren für eine KI-gestützte Vorlesefunktion von Artikeln zu erstellen. Partner ist der KI-Stimmengenerator Elevenlabs, mit dem auch die mgo-Fachverlage gerade in einem ganz ähnlichen Projekt zusammenarbeiten.

Mit FAZ-Essentials fasst die Frankfurter Allgemeine mit der Unterstützung von ChatGPT Inhalte zusammen und versucht so, Leser auf die tiefergehenden Geschichten aufmerksam zu machen. Ganz so weit sind die Lokalen Medien noch nicht. Aber erste Gespräche für ein ganz ähnliches Projekt zur KI-gestützten Aufbereitung von Dauerbrenner-Themen laufen im Digitalhaus zwischen Redaktion und Produktteam.

Ole Reißmann, Leiter Künstliche Intelligenz beim Spiegel, ließ sich bei einer Podiumsdiskussion zwar nicht wirklich in die KI-Karten schauen. Aber er sieht die Chancen von KI in einer Redaktion vor allem bei der Übernahme von Routineaufgaben, beispielsweise bei der Suchmaschinenoptimierung. Die kürzlich ins Redaktions-CMS integrierten KI-Funktionen, in den Lokalen Medien entwickelt von der Zunft „Web IT & KI“, lassen grüßen.

Wohin der Einsatz von KI in der Verlagswelt künftig noch führt, war auch in Berlin Gegenstand lebhafter Diskussionen auf diversen Podien, in Breakout-Sessions und nicht zuletzt in informellen Runden bei der Abendveranstaltung. Grundsätzlich standen überall die Möglichkeiten im Vordergrund, die die Technik bietet. Weniger langweilige Routine, dafür mehr Freiheiten für Kreativität, so der Tenor. Aber eine solche Konferenz wäre nicht rund, wenn sich kein Mahner unter den mehr als 300 Teilnehmer*innen finden würde.

In die Rolle des Advocatus Diaboli auf der großen BDZV-Bühne schlüpfte leidenschaftlich der Jurist Prof. Thomas Höppner von der Berliner Kanzlei Partner Hausfeld. Die Bedrohung durch Künstliche Intelligenz sieht er nicht im Einsatz in Verlagen selbst. Es seien einmal mehr die Tech-Giganten, die der Branche künftig das Leben schwer machen. Und er prognostiziert nichts weniger als einen frontalen Angriff auf das Geschäftsmodell digitaler Publisher. Es gebe weltweit bereits hunderte Portale, die fast komplett KI-gestützt digitale Nachrichten verbreiteten und sich dabei ungeniert an dem bedienten, was andere leisten.
Auch Konzerne wie Google und Microsoft – mit OpenAI im Schlepptau – arbeiteten bereits daran, die Newsbedürfnisse von Nutzer*innen zu befriedigen, ohne dass diese die Angebote von Verlagen überhaupt noch ansteuern müssten. Einen ersten Vorgeschmack liefere beispielsweise Perplexity.ai. Die Konversations-Suchmaschine, zu deren Investoren Amazongründer Jeff Bezos und der Grafikchip-Riese Nvidia gehören, liefert Antworten, ohne dass die Nutzer*innen noch auf den Link eines Nachrichtenportals klicken müssen. Links zur Quelle gibt es zwar. Doch wer klickt die noch an, wenn die Antwort der KI alles enthält, was man glaubt, wissen zu müssen?

Die meisten Verlage sperren doch KI-Tools technisch vom Zugriff auf Inhalte aus, mag man entgegenhalten. Offenbar ein nutzloser Versuch, wie Höppner erklärt. Nicht einmal Paywalls böten künftig noch einen Schutz vor dem Wissensdurst generativer Sprachmodelle. Deren Betreiber*innen hätten längst Verträge mit den Suchmaschinenriesen geschlossen und bedienten sich nach Lust und Laune an dem, was dort indexiert wird. Höppner warnt und rät den Verlagen dringend zu einer gemeinsamen Datenstrategie gegen die „existenzbedrohende Ausbeutung ihrer Inhalte“.
Schnitt! Etwas mehr Optimismus, bitte! „Wir müssen die Plattformen bieten, auf denen der demokratische Diskurs stattfindet.“ Die Worte von Zeit-Geschäftsführer Dr. Rainer Esser bei der #beBeta 2024 wirkten wie Balsam auf die socialmediageschundene Seele von Journalisten. Und vielleicht sind sie auch als Aufruf zum Gegenangriff auf die Tech-Giganten zu verstehen.